Lehren aus der Pandemie: Kulturfinanzierung muss nachhaltiger werden
Die Musikräte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz fordern Resilienz des Kulturbetriebs und strukturelle Verbesserung von Rahmenbedingungen
Die Spitzen der Musikräte von Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen sich kürzlich zu ihrem jährlichen Austausch, dieses Mal in der Schweizer Bundeshauptstadt Bern. Ein zentrales Thema war dabei die Frage, welche Lehren aus den zwei Jahren Pandemie zu ziehen seien und wie der Kultursektor resilienter gemacht werden könnte. In der Suche nach Antworten zeigte sich schliesslich immer mehr, dass die Finanzierung des kulturellen Lebens in mehrfacher Hinsicht nachhaltiger werden muss.
Die Pandemie hat der Gesellschaft deutlich in Erinnerung gerufen, wie wichtig Musik und Kultur sind. Es wurde aber auch offensichtlich, dass das Ökosystem Kultur ganz anders als andere Wirtschaftszweige funktioniert und sehr verletzlich ist. Die Spitzen der Musikräte sind sich deshalb einig, dass die Folgen der Pandemie gerade im Musiksektor noch längere Zeit schmerzlich spürbar sein werden und es deshalb vor diesem Hintergrund zentral ist, die öffentliche Kulturförderung nachhaltiger zu gestalten und Rahmenbedingungen strukturell zu verbessern.
In den Diskussionen, in die auch das Schweizer Bundesamt für Kultur sowie Vorstandsmitglieder der Parlamentarischen Gruppe Musik miteinbezogen waren, wurden länderübergreifend drei Handlungsfelder identifiziert:
1. Die kulturelle Vielfalt wird durch die Pandemie und die Energiekrise beeinträchtigt.
Im Sinne der „UNESCO Konvention zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Ausdrucksformen“ bezieht sich kulturelle Diversität sowohl auf die identitätsstiftenden als auch auf die wirtschaftlichen Funktionen von Musikgenres. Vor allem der Live-Sektor aller Stilfelder (Klassik, Jazz, Volks- und Weltmusik, Dance, Pop/Rock, Schlager) ist mit hohen Kollateralschäden konfrontiert und braucht spezifische Wiederbelebungsmaßnahmen. Mit kultureller Vielfalt ist aber auch die Repräsentanz aller gesellschaftlichen Gruppen in kulturpolitischen Entscheidungsprozessen gemäß Bevölkerungsanteil gemeint. Hier besteht aktueller Nachholbedarf, insbesondere bei Künstlerinnen und Künstlern mit Migrationshintergrund.
2. Für die freischaffenden Künstlerinnen, Künstler und Ensembles sind die Einkommenssituation und die Altersvorsorge prekär.
Es gilt daher, geeignete Instrumente zu schaffen und bestehende Instrumente auf die Besonderheiten des Musik- und Kultursektors anzupassen. Der Prozess «Fairness & Fair Pay», initiiert vom österreichischen Bundesministerium für Kunst und Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS), hat dabei erste konkrete Ansätze und Bekenntnisse formuliert und mit Maßnahmen in Richtung faire Entlohnung von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen begonnen.
3. Die Strukturen und Wertschöpfungsketten im musikalischen Schaffen wurden beschädigt und drohen zu zerbrechen.
In den vergangenen zehn Jahren wurde die Kulturfinanzierung zunehmend projektbezogen ausgerichtet. Eine mehrjährige institutionelle Förderung schafft deutlich stabilere und resilientere Strukturen.
Die aktuellen Krisenszenarien (Krieg, Pandemie, Energieknappheit, Teuerung, Publikumsschwund), im Zusammenhang mit der zunehmenden Missachtung der Menschenrechte und der dramatischen Klimaentwicklung, erfordern ein dringliches spartenübergreifendes Handeln. Die Musikräte Deutschlands, Österreichs und der Schweiz rufen deshalb die politisch Verantwortlichen aller föderalen Ebenen auf:
– die Anstrengungen dazu unverzüglich zu intensivieren.
– dabei die Vertreterinnen und Vertreter des Musik- bzw. Kultursektors von Anfang an miteinzubeziehen.
Deutscher Musikrat: https://www.musikrat.de
Schweizer Musikrat: https://www.musikrat.ch
Österreichischer Musikrat: http://www.oemr.at
Fotocredit (Musikräte im Bundeshaus in Bern mit Nationalrat Stefan Müller-Altermatt): Schweizer Musikrat