MUSIKALISCH OFTMALS ÜBERFORDERTE VOLKSSCHULLEHRER/INNEN, KEINE ADÄQUATE AUSBILDUNG
AN DEN PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULEN, FEHLENDE UNTERRICHTSMATERIALIEN UND
INFRASTRUKTUR. DIE SITUATION DES MUSIKUNTERRICHTS AN DEN VOLKSSCHULEN IST PREKÄR.
Die Rahmenbedingungen für den Musikunterricht an Österreichs Schulen haben sich in der
letzten Dekade massiv verschlechtert. In allen Bereichen der schulischen Bildung – vom
Kindergarten bis zur Oberstufe – wurden Ausbildungs- und Unterrichtsstrukturen abgebaut
und ausgedünnt. Besonders prekär ist die Situation in der Volksschule. Im Zuge der
Entwicklung neuer Studienpläne wurde die musikalische Ausbildung der
Volksschullehrer/innen an den Pädagogischen Hochschulen zurückgefahren.
Während früher jede Volksschullehrkraft eine umfassende musikalische Ausbildung erhielt,
ist diese nun an den meisten Pädagogischen Hochschulen auf ein Mindestmaß reduziert,
sodass ein qualitativ hochwertiger Musikunterricht von den Absolvent/innen kaum noch
umgesetzt werden kann. Die Folge: Musikalisch überforderte Lehrkräfte singen oder
musizieren nicht mehr mit den Kindern oder es findet gar kein Musikunterricht mehr statt.
Die Ziele der Lehrpläne im Musikunterricht können somit nicht mehr erreicht werden!
Auch in der Sekundarstufe I (Schulen der 10 bis 14-Jährigen) werden derzeit je nach
Bundesland nur zwischen 50% und 75% der Musikstunden von ausgebildeten
Musiklehrer/innen unterrichtet. Hier ist besonders der Bereich der Neuen Mittelschulen ein
Problem, weil schon jetzt ein Fachlehrer/innen-Mangel herrscht und aufgrund der neuen
Ausbildungsstrukturen und des Dienstrechtes ein weiterer Rückgang zu erwarten ist.
Außerdem kommt zum Mangel an qualifiziertem Personal noch eine unzureichende
Ausstattungssituation hinzu, die die alltägliche Musikpraxis in der Schule oftmals unmöglich
macht und manche Lehrkräfte schlicht verzweifeln lässt. Ausstattung und Raum für Musik
werden im Gegensatz zum Sport seit Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt. Musikbücher
gibt es trotz Schulbuchaktion immer seltener an Österreichs Schulen.
Univ.-Prof. Dr. Harald Huber, Präsident des Österreichischen Musikrats:
„Die gegenwärtige bildungspolitische Diskussion fokussiert viel zu sehr die Pisa-Fächer
(Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften). Die künstlerisch-kreativen Fächer vermitteln
aber ebenfalls unverzichtbare Kompetenzen wie Kreativität, soziales Miteinander und
Gestaltungsvermögen.“
„In den Kindergärten und Volksschulen sollte für alle Kinder, unabhängig von Ihrer Herkunft,
die Basis für einen freudvollen Umgang mit Musik in ihrem Leben gelegt werden – für das
Singen wie für das Erlernen eines Instruments in einer Musikschule. Musik ist Kunst, ist
Emotion, ist Vielfalt, ist Brücke, ist Lebendigkeit!“ sagt Harald Huber.
Der österreichische Musikrat (ÖMR) als Dachorganisation der im Musikbereich tätigen
Interessenvertretungen fordert die politisch Verantwortlichen dazu auf, den
Musikunterricht an den Volks- und Mittelschulen qualitativ und quantitativ abzusichern.
Dafür fordert der ÖMR den Einsatz von spezialisierten Musikfachlehrer/innen auch in der
Volksschule. Künftig sollen Lehrkräfte mit einerseits volksschulpädagogischer und
andererseits musikalischer Schwerpunktausbildung ein ausreichendes Angebot an
Musikunterricht in den Volksschulen gewährleisten.
Zur Realisierung schlägt der ÖMR vor, einerseits ein Volksschul-Studium mit musikalischem
Schwerpunkt an allen Pädagogischen Hochschulen einzurichten und die Kooperation mit
einschlägigen Angeboten an Musikuniversitäten auf den Weg zu bringen. Andererseits sollen
Studierende und Absolvent/innen der Musikuniversitäten ein pädagogisches
Erweiterungsstudium an den Pädagogischen Hochschulen abschließen können, um als
Fachlehrkräfte an Volksschulen unterrichten zu dürfen.

FORDERUNGEN

◊ Qualitative und quantitative Absicherung des schulischen Musikunterrichts.
◊ Realisierung eines flexiblen Fachlehrerprinzips für musisch-künstlerische
Fächer an den Volksschulen:
1.) Einrichtung musikalischer Schwerpunktstudien für Volksschulpädagog/innen
an allen Pädagogischen Hochschulen,
2.) Einrichtung von Erweiterungsstudien an den Pädagogischen Hochschulen für
Absolvent/innen und Studierende von Musikuniversitäten, um ausgebildete
Musikpädagog/innen als Fachlehrkräfte in der Volksschule einsetzen zu können.
(z.B. Instrumental- und Gesangspädagogik / IgP mit Erweiterungsstudium Volksschule)
◊ Dienstrechtliche Regelungen zur Zulassung von Absolvent/innen von
Musikstudien zur Lehre an öffentlichen Schulen.
(z.B. „Musik und Bewegungspädagogik/Rhythmik“ bzw. IGP mit Schwerpunkt „Elementare
Musikpädagogik“ – derzeit nicht zugelassen zum Unterricht in der Volksschule)
◊ Ausweitung des Musikunterrichts in der Volksschule auf zwei Wochenstunden.
◊ Ausbau der Kooperationen von Schulen mit Musikschulen.
◊ Einrichtung einer musikpädagogischen Koordinationsstelle im
Bildungsministerium.
Österreich ist zurecht stolz auf seine lange Musiktradition. 90% der Österreicher/innen
finden, dass in der Schule gesungen werden soll. 86% aller Österreicher/innen meinen
zudem, dass jedes Kind ein Instrument lernen sollte. Es wäre politisch dringend notwendig,
das Recht jedes Kindes auf Zugang zu hochwertiger musikalischer Bildung im
sprichwörtlichen „Musikland Österreich“ flächendeckend zu gewährleisten!
Quellenangaben & Details entnehmen Sie bitte dem ausführlichen „Positionspapier zur
musikalischen Bildung“ (beiliegend).

Musikalische Grundrechte

Der ÖMR stützt sich in seinen Anliegen auf fünf musikalische Grundrechte, die der
Internationale Musikrat im Jahr 2001 proklamiert hat:
1) Alle Kinder und Erwachsenen haben das Recht, sich in aller Freiheit musikalisch
auszudrücken.
2) Alle Kinder und Erwachsenen haben das Recht, musikalische Ausdrucksformen
und Fähigkeiten zu erlernen.
3) Alle Kinder und Erwachsenen haben das Recht auf Zugang zu musikalischen
Aktivitäten: zur Teilnahme, zum Hören, zum musikalischen Schaffen und zur
Information.
4) Musikschaffende haben das Recht, sich als Künstler/innen zu entwickeln und
das Recht auf Kommunikation in allen Medien, indem ihnen angemessene
Einrichtungen zu ihrer Verfügung stehen.
5) Musikschaffende haben das Recht auf angemessene Anerkennung und
Vergütung für ihre Arbeit.

Pressemeldung ÖMR, 14.09.2017 (PDF)
POSITIONSPAPIER zu musikalischer Bildung, 14.09.2017 (PDF)

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