Stellungnahme des Österreichischen Musikrats (ÖMR) zur
„Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), mit der die Verordnung über Aufnahms- und Eignungsprüfungen geändert wird“ – Begutachtungs- und Konsultationsverfahren
Stellungnahme des ÖMR: „Der vorliegende Entwurf sieht eine Reduktion von für Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen essenziellen Kompetenzen im musikalischen Bereich vor.
So soll „die musikalische Bildbarkeit, insbesondere die Fähigkeit zum Erfassen und Nachvollziehen von Rhythmen und Melodien sowie der Voraussetzung für die Erlernung der im Lehrplan vorgesehenen Instrumente“ im Rahmen der Eignungsprüfung gestrichen werden, damit, wie man unter „Ziel(e) lesen kann, „auf die wichtigste Grundvoraussetzung zeitgemäß fokussiert wird“. Das heißt im Umkehrschluss, dass musikalische Bildung und kreative Inhalte nicht mehr zeitgemäß sind.
Dem muss aufs entschiedenste widersprochen werden. Die Überprüfung der musikalischen Bildbarkeit ist dringend notwendig, da die Musik im elementarpädagogischen Bereich eine immens wichtige Rolle spielt. Elementarpädagoginnen und -pädagogen müssen über Kreativität und Musikalität verfügen, um diese auch den ihnen anvertrauten Kindern weitergeben zu können. Sie sind Vorbilder, indem sie musikalisch agieren und gestalten und nur, wenn sie in ihrem Tun eine größtmögliche Sicherheit haben, sind sie auch in der Lage, musikalische Bildung zu vermitteln. Dazu braucht es Grundvoraussetzungen, auf denen in der fünfjährigen Ausbildung aufgebaut wird, die aber in dieser Zeit bei komplettem Nichtvorhandensein nicht erworben werden können. Das bedeutet entweder, dass die Ausbildung nicht positiv absolviert werden kann, was wohl eine größere Zahl von Schulabbrechern zur Folge hätte, oder dass musikalisch nur mangelhaft ausgebildete Elementarpädagoginnen und -pädagogen nicht in der Lage sind, einen Grundstock musikalischer Bildung zu gewährleisten und damit eine wichtige Basis für die Weiterarbeit in der Primarstufe zu schaffen. Dies hätte gravierende Folgen für das weitere Leben der Kinder, und zwar nicht nur im Hinblick auf eine Grundsteinlegung für eine spätere musikalische Laufbahn. Musikalische Bildung im Kindesalter trägt wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung bei, Selbstvertrauen, Sozialverhalten, Geduld und Ausdauer, Fantasie, aber auch Sprachentwicklung werden dadurch gefördert. Nicht zuletzt ist Musik ein wichtiges Kommunikationsmittel, mit dem man Kinder – abseits von Sprache – auch in Problemsituationen erreichen kann. Da in der Wissenschaft Einigkeit darüber herrscht, dass es ein Zeitfenster für das Anlegen musikalischer Basis-Fähigkeiten gibt, das mit etwa 10 Jahren endet, haben Kindergarten und Volksschule hier eine Aufgabe, die weder nach hinten verschoben noch anderswohin ausgelagert werden kann.
Durch diese Verordnung würden auch die vom Internationalen Musikrat formulierten „Five Music Rights“ verletzt: Das Recht aller Kinder (und Erwachsenen), sich in aller Freiheit musikalisch auszudrücken, setzt voraus, dass die dafür notwendige musikalische Basisausbildung zeitgerecht erworben wird. Dies kann ohne die dafür notwendige musikalische Ausbildung der Elementarpädagoginnen und -pädagogen aber nicht mehr gewährleistet werden!
https://www.emc-imc.org/about/objectives-strategies/the-5-music-rights/
Es muss daher die musikalische Bildbarkeit (nicht das musikalische Können) von Anwärterinnen und Anwärter für Elementarpädagogik wie bisher vor Ausbildungsbeginn überprüft werden, damit die Jugendlichen in der richtigen Schule sitzen und ihnen einerseits die Enttäuschung über ein mögliches Scheitern erspart bleibt und sie andererseits die wichtige gesellschaftliche Aufgabe der musikalischen Grundbildung von kleinen Kindern wahrnehmen können.
Wenn in der Problemanalyse auf die geringe Zahl von männlichen Bewerbern für Bildungsanstalten für Elementarpädagogik und in weiterer Folge auf das Fehlen von männlichen Elementarpädagogen im Praxisalltag hingewiesen wird, muss man die Frage stellen, ob die Zahl der männlichen Bewerber für Elementarpädagogik tatsächlich mit den Eignungsvoraussetzungen korreliert oder ob es nicht vielmehr mit der gesellschaftlichen (Nicht-)Wertschätzung und schlechten Bezahlung der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen zu tun hat?
Will man die Zahl der männlichen Bewerber erhöhen, braucht es eine Aufwertung des Berufs, sowohl im monetären Bereich, aber auch was das Image in der Gesellschaft betrifft. Hier wäre der wichtigste Schritt das Anheben auf die universitäre Ebene, d.h. ein Bachelorstudium im Anschluss an die Bildungsanstalt für Elementarpädagogik, auch um im europäischen Vergleich mithalten zu können.
Das Wirkungsziel, nämlich die „Erhöhung des Leistungs- und Bildungsniveaus der Schülerinnen und Schüler“ kann mit dieser Verordnung jedenfalls nicht erreicht werden, im Gegenteil, es wird dadurch konterkariert.“